Die Leinwand als Fenster in die Welt
Das Wichtigste in Kürze
Bildgestaltung an der HFF Hochschule für fernsehen und Film München studieren
Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton als Alternative
B.A. in Cinematography als Projektstudium an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf
Ein Praktikum bei M94,5 Mediaschool Bayern in Kameratechnik
„Nur sechs Kamera-Studenten, aber zwanzig Studierende in Regie beim Start der Erstsemester am 01. Oktober – da kannst du ganz sicher sein, dass du eine ganz individuelle Betreuung bekommst und gepampert wirst“, sagt Prof. Tom Fährmann, emeritierter Professor Bildgestaltung an der HFF Hochschule für Fernsehen und Film München, der mit dem Ehrenpreis des Deutschen Kamerapreises 2022 ausgezeichnet wurde: „Es geht nicht darum, Kamerakräne oder geile Drohnen zu bewegen, sondern du musst ein wenig technikaffin sein, um mit Bildern Geschichten zu erzählen.“ Fährmann weiter: „Zeigen wir gleich, wie der Hausmeister die Köchin killt? Oder warten wir, bis der Kommissar endlich selbst drauf‘ gekommen ist? Das nennt man Dramaturgie.“ Kameramann, Fotograf und Drehbuchautor Fährmann wurde als Sohn eines Schriftstellers geboren, studierte zunächst Kunstpädagogik und danach Kamera an der Münchner HFF: „Ständig mit neuen Teams an neuen Orten herumziehen und an jedem Drehtag hundert Probleme – das musst du wirklich wollen. Im Drehbuch steht: ‚Und langsam weicht der Nebel aus der Dämmerung‘ – aber es regnet.“ Fährmann sagt, dass man heute mit einer Spiegelreflexkamera für zehn bis 15 Tsd. EUR schon sehr professionell arbeiten kann. Und wer mit dem iPhone umgehen kann, der kann auch einen digitalen Film drehen. „Am Anfang war ich Kamera-Assistent und musste mich um den ganzen technischen Kram kümmern, aber das halte ich für zu wenig: Es ist viel spannender, wenn man sich auch mit Inhalten beschäftigt.“ Er schmunzelt: „Wenn ich alles eingeleuchtet habe und der Schauspieler tritt ins Bild, dann bekomme ich Glücksgefühle.“ Tom Fährmann arbeitet meist mit Regisseur Sönke Wortmann zusammen. Auch beim Dreh seines Films ‚Das Wunder von Bern‘. Fährmann hält es für wichtig, dass auch die Beleuchter mitdenken dürfen: “Wenn die Beziehungsebene stimmt, dann schiebt dich Karl-Heinz auf dem Dolly bis nachts um halb eins.“ Fährmann grinst. „Wenn man aus dem G8 kommt, ist das mit der Lebenserfahrung schon ein wenig kniffelig, aber wir versuchen mit den verschiedenen Bewerbungsaufgaben zu sehen, ob du ein Feeling für Bilder hast. Und dann ist mir das egal, ob du aus dem Kindergarten kommst (lacht).“ Bei Bewerberfilmen interessiert Fährmann vor allem die Bildlösung: „Ich gucke mir den Film auch einmal ohne Ton an. Wie ist der Rhythmus des Films? Fliest der? Und seid ihr in der Lage, mit Bildern zu erzählen?“ Fährmann hält Praktika am Set für ebenso wichtig, wie eigene Filme zu drehen. Ein Regie-Student muss Mitte zwanzig sein. Aber bei Kamera ist das Alter kein Problem und wenn ein Schüler in der Foto AG mitarbeitet, seit er zwölf ist, dann ist mir das lieber als einer, der mit 36 das Studium abschließt.“ Von Mediengestaltern hält Fährmann eher wenig, weil die viel gesehen, aber kaum etwas selber gemacht haben – vier Berufe in einem! Bewerber aus der Gastronomie schätzt er dagegen sehr, weil sie die kontrollierte, distanzierte Freundlichkeit erlernt haben, die für die Arbeit am Set typisch ist. „Der Kameramann wird im Wesentlichen engagiert, weil er mit Licht umgehen kann. Aber dazu gibt es an der HFF eine ganze Seminarreihe.“ Auch das farbliche Gestalten mit Photoshop, „Colormatching“, ist im Moment ein Thema. „Von 100-200 Bewerbern (1: 17) schauen wir uns 20-24 näher an. Das Procedere geht zwei Tage. Und dann bauen wir eine Gruppe, die auch funktionieren kann.“ Bei den Auswahltagen an der HFF sind in der zweiten Runde a) unterschiedliche Bildmotive zu einer Geschichte in Form einer Fotostrecke zu montieren, b) ein Storyboard zu zeichnen, c) in einem Moodboard die Ideen für einen Kurzfilm zu visualisieren und d) mit einem Camcorder draußen ein Kurzfilm mit Passanten zu drehen. Außerdem ein Kolloquium mit den Profs und den wissenschaftlichen Assistenten: Haben sie in ihrem Film ihre Ideen realisiert, die sie auf dem Storyboard und dem Moodboard entwickelt hatten? Von 7-10 Zulassungen treten etwa sechs ihr Studium an.
Im Juli 2022 wurde Prof. Fährmann verabschiedet. Vor drei Monaten hat Christian Rein seine Professur für Bildgestaltung an der HFF München übernommen. Der 52-jährige Grimme-Preisträger arbeitete bisher immer wieder auch mit Absolventen der Münchener HFF zusammen, darunter die Produzenten Max Wiedemann und Quirin Berg oder die Regisseure Florian Gallenberger und Wim Wenders. Rein, der für Filme wie "Vorstadtkrokodile" oder "Französisch für Anfänger" bekannt ist, dreht aktuell im Hyperbowl in Penzing. Ein 360-Grad-Filmset aus hochauflösenden LED-Wänden auf einer Fläche von über 500 Quadratmetern auf dem Gelände eines ehemaligen Fliegerhorst: „Ich empfehle als erstes Erfahrungen am Set. Zum Beispiel über Praktika, die auf Crew United ausgeschrieben werden. Oder auch als Komparse.“ Rein weiter: “Du wirst hier nicht studieren und dann bist du fertig und hast einen Beruf. Nein, die HFF ist eine Kunsthochschule und das Wichtigste ist, hier möglichst viele Leute kennen zu lernen. Denn der Job läuft nur über Kontakte und Beziehungen.“ Rein betont die hierarchischen Strukturen beim Film. Sonst würde das System nicht funktionieren. „Irgendwann stehst du am Set vor siebzig Leuten. Und die fragen, was ist jetzt? Das hat auch etwas mit Haltung und Persönlichkeit zu tun, was man an keiner Schule lernen kann.“ Rein will in Zukunft noch mehr Kameraleute aus der Praxis an die HFF einladen, zum Beispiel Judith Kaufmann oder Florian Hoffmeister. Nach welchen Kriterien werden Sie einen Bewerberfilm wie „Das Geheimnis“ oder „Weniger ist mehr“ beurteilen? Prof. Christian Rein: „Dein Blick auf die Welt. Und wie du Dinge wahrnimmst – das ist mein Maßstab.“ Peter Zeitlinger, Professor für Bild, Licht und Raum an der HFF und Absolvent der Filmakademie Wien: „Als Kameramann bewegst du das Auge des Zuschauers durch die Welt deines Films. Aber die Leinwand, das ist kein Rahmen mit einem Bild darin. Sondern sie ist ein Fenster auf eine Zeitreise in die Welt deines Films. Und du bestimmst mit deiner Position den Blickwinkel auf eine Perspektive in deiner Geschichte.“
„Irgendwann bekommt ihr ein Drehbuch und müsst das visuell interpretieren. Das zu trainieren, darum geht es hier in Cinematography an der Filmuniversität Babelsberg“, sagt Prof. Michael Hammon: „Aber als Bewerberfilm bevorzuge ich persönlich ganz eindeutig Dokumentarfilme.“ Hammon denkt einen Moment nach: „Wenn du selber ‚Regisseur‘ für einen Spielfilm bist, ist die Frage, wie wirkt das am Ende? Oft eher peinlich, weil es nicht einfach ist, als Kameramann die Schauspieler zu führen.“ Kennt ihr den Unterschied zwischen einem gut gedrehten Film und einem schlechten, wird oft in der Aufnahmeprüfung gefragt: „Alle Gewerke, von Regie über Kamera bis Szenografie, orientieren sich am Drehbuch und wollen es zum Leben erwecken“, so Hammon: „Eine gute Umsetzung erkennt man an der Dramaturgie: Ich kann mit der Lichtsetzung einen Menschen schöner machen oder Furcht einflössen. Zoom oder Weitwinkel sind weitere gestalterische Mittel, die darüber entscheiden, ob die filmische Umsetzung des Drehbuchs die Herzen emotional berührt.“ Als Arbeitsproben hat der Bewerber in Babelsberg 10 s/w-Fotos über eine oder mehrere Personen einzureichen. Außerdem 15 Fotos freier Wahl. „Sie sollten das Thema Fotos nicht unterschätzen“, sagt Frau Prof. Susanne Schüle: „Was will der Kandidat erzählen? Was ist der Blick des Bewerbers auf die Welt?“. Michael Hammon schätzt ein Praktikum im Kameraverleih, etwa bei ARRI Rental oder FGV Schmidle: So lerne ich Kameraleute kennen und bekomme erste kleine Jobs am Set. Prof. Schüle findet es besonders schön, wenn Bewerber Kontakt zu studentischen Filmübungen über die Job-Angebote am "Schwarzen Brett" suchen und in Babelsberg bei einem Studentenfilm dabei sind; das Praktikum kann aus mehreren Teilen bestehen. Ende Januar ist die Date-Line für die Bewerbung, aber das 20-wöchige Vorpraktikum muss vollständig erst zum 30.09. abgeschlossen sein. Zuletzt haben 153 Bewerber die Fotoserien und die zwei Bewerberfilme eingereicht. Die Prüfungskommission möchte die Fotos einzeln in die Hand nehmen und nicht blättern. Die genaue Reihenfolge muss jedoch erkennbar sein. 25 Bewerber kommen in die Auswahlprüfung, wo eine fotografische Aufgabe mit 36 Bildern zu lösen ist. “Themen waren z.B. „Glaube-Liebe-Hoffnung“ oder „Der zweite Blick“, erzählt Schüle: Und: Motive mit Menschen sind gewünscht. „Wir sind die Leute, die jeder Idee das Gesicht geben“, betont Prof. Peter Badel, der viele Jahre an der Filmuniversität Babelsberg und der Filmakademie Baden-W. in Ludwigsburg unterrichtet hat. Zur Aufnahmeprüfung: „Damit wir rauskriegen, ob jemand ein gutes Bildgefühl hat, lassen wir als Prüfungsaufgabe analoge Fotos machen. Man sieht dann, wie jemand fotografisch denkt. Und wie lange er braucht, bis das Bild sitzt. Dazu nehmen wir einen Dia-Film, um zu sehen, ob ihr belichten könnt. Und damit die Farbfehler alle rüberkommen. Drei Filme mit 36 Bildern werden sie schon brauchen in 24 Stunden. Beim Portrait wünschen wir uns Motive mit Originalität. Wir wollen sehen, wie denkt ihr, wie fühlt ihr und was ist das Spektrum?“ Ferner: Schriftliche Filmanalyse – lfd. Film sowie Pitch vor laufender Kamera (Thema eines Dokufilms). Bei der 7-köpfigen Kommission definiert jedoch jeder das Wort Qualität anders. „Wir bilden vom High-Tech-Kameramann bis zu TV alles aus und wollen die Leute fit machen für die ARRI Alexa“, so Badel: „Bei der Arbeit mit den Regie-Professoren haben wir in Babelsberg das ganze Spektrum der Filmemacher: Andreas Dresen ist total locker, während Andreas Kleinert gestylte Filme will.“ Im 1. Semester geht es um die Frage, wie nähere ich mich Menschen? Wie inszeniere ich zwei Leute im Raum. Mit Regie und Szenografie gibt es eine 16mm-Übung („Konrads junge Wölfe“) auf 60 Metern Film (5 Minuten). Danach geht es weiter mit der Sony 800 und der ARRI Alexa 4K in der F1-Übung Dokumentarfilm am Ende des 1. Semesters. Badel: „Mehr als 9 Studenten nehmen wir nicht, damit man Teams bilden kann. Wir schätzen eine interessante Gruppen-Dynamik. Also nicht nur Künstler, sondern auch Techniker im Team.“
Die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf besitzt nicht nur einen langen Namen, sondern auch eine lange Tradition. Mit ihrer Lage direkt neben Studio Babelsberg und der UFA mit ihrer 100-jährigen Geschichte, der "Berliner Straße", wo „Babylon Berlin“ und die RTL - Daily-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ gedreht werden, sowie dem RBB und den weit über 120 Filmunternehmen bildet die Filmuniversität ihre Studierenden genau dort aus, wo täglich produziert wird. Oscar-prämierte Filme, wie „Der Vorleser“ oder „Inglourious Basterds“. Ihr Ausbildungskonzept ist deshalb so einzigartig, weil sich die einzelnen Gewerke, die an einer Produktion beteiligt sind – von Animation über Regie, Filmproduktion, Filmmusik, Visual Effects, Montage, Schauspiel, Szenografie bis zum Tonmeister für audiovisuelle Medien - in gemeinsamen Filmprojekten verzahnen. Ein 360 Grad Rundgang zeigt den Campus als Video. „Cinematography als Projektstudium mit den vielen praktischen Trainingseinheiten ist nicht nur ein gestalterisch-technisches Fach“, betont Frau Prof. Sophie Maintigneux, die wiederholt mit dem Deutschen Kamerapreis ausgezeichnet wurde: „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gewerke ist manchmal auch subtil und zutiefst menschlich. Wobei sich oft Partnerschaften entwickeln, die ein ganzes Berufsleben halten.“
Mittlere Reife und ein Praktikum, z.B. bei M94,5 Mediaschool Bayern, genügen für die Kompaktausbildung bei der BAF Bayerischen Akademie für Fernsehen und digitale Medien als Kamera-Assistent: Gespräch bei 2 Bewerbern/ pro Platz und 10 Monate Unterricht bei 690 EUR monatlich - ein Jahr. Zu den Dozenten gehören Peter Miroschnikoff: „Recherche“, Radu Simionescu, BR Fernsehen, unterrichtet „Journalismus, Kamera, VFX, Wolfgang_Lanzenberger, Leiter Regie bei SevenOneMedia Pro7SAT1 bietet „Dramaturgie“ sowie Ulrich Berls, bis 2015 Leiter ZDF Landesstudio Bayern: „Medienrecht und Rundfunkordnung“.
Cinematography an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf: Bildbetrachtung im Seminar “Untouched”. Foto: Uwe Kästner, Studien- & Berufsberatung